Bis das Einhorn uns scheidet…

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Die 7-Seen-Wanderung 2019

Meine Vorbereitung? Nicht viel: viel walken, der Megamarsch in Dresden. Und einige Schuhprobleme. Denn auf einem Mal bekam ich Blasen in den Schuhen, die ich noch problemlos in Dresden laufen konnte. Das machte mich ratlos und die Situation auch nicht besser.

Und da war sie. Meine Herausforderung des Jahres. Im Vorjahr lief ich noch die Sonnenaufgangstour – 32km. Nun wollte ich es wissen: 101km. Start und Ziel war Markleeberg. Und einige Kilometer kannte ich ja bereits vom Vorjahr.

Am Tag der Tage hatte ich Urlaub. Zusammen mit meinem Freund konnte ich nun ganz in Ruhe am Freitag Nachmittag nach Markleeberg fahren. Dort herrschte auch schon ein wenig Trubel auf dem Festgelände, sollte doch gleichzeitig auch das Stadtfest dort veranstaltet werden.

Die Startunterlagen gab es im Schulgebäude, ganz oben und ganz hinten. Und ehrlich: man zählt da jeden unnötigen Schritt, den man vor der Wanderung so tut. Und dann begann die Warterei. Mit vielen anderen lümmelte ich vor dem Schulgebäude herum, die Startunterlagen waren schnell angeschaut. Und schon jetzt tat sich ein kleines Problem auf, die eine Dame an der T-Shirt Ausgabe so treffend formulierte: „Nach welchen Zeichen soll ich hier laufen?“. Nun, anders als im Vorjahr waren tatsächlich im Begeleitheft keine Worte zu den Markierungen zu finden. Im Endeffekt anfangs immer der Masse nach. Und die Rundstrecke war im Nachgang gesagt sehr gut ausgeschildert. Die Streckentrennungen waren mit großen Schildern sichtbar. Ansonsten immer dem Pfeil mit der 7 entlang.

Der Start

Um 18:00 Uhr ging es dann los. Und leider war dies ein sehr großes Gewusel. Denn es starteten sehr viele Strecken gleichzeitig, die dann entweder irgendwo an der Strecke endeten oder abbogen. Aber so waren gefühlt 1000 Starter gleichzeitig am laufen. Und auf den ersten Kilometern konnte man kaum sein eigenes Tempo finden, da  man immer auf die Stöcke und Füße der anderen Wanderer achten musste. Irgendwann hatte man sich dann doch noch kurz verlaufen, da die App des Veranstalters geradeaus anzeigte, die Masse aber nach rechts in den Wald abbog. Ich lief geradeaus. Wie einige andere aus. War aber nicht schlimm, der Schlussläufer (oder eher Radfahrer?) meinte, einfach die nächste rechts nehmen. Da kommt man auch auf die Strecke. Und ehrlich: die Gesichter derjenigen, die der Masse gefolgt waren, war herrlich als ich wieder auf die Originalstrecke stieß.

Die Strecke an sich verlief vornehmlich durch Parks und Grünanlagen. Doch geniessen konnte man es noch nicht. Die Masse ist halt sehr laut. Vor allem, wenn einige noch Radios an den Rucksack hängen und laut Musik hören. Es nervt.

Nach fast 13km kam man zur ersten Versorgungsstation. Aber davor hieß es Stempeln! Und die Warteschlange war sehr lang. Letztendlich wartete ich ca. 30 Minuten, bis ich gestempelt wurde. Und da sah ich das Problem: waren nur zwei Pärchen da zum stempeln. Einer stempelte (oder eher zwei mal pro Person, mein Dilemma von 2018) und der andere scannte per (vermutlich) privaten Handy den Barcode ab. Das hatte einen Hintergrund: somit sollte man aktuell in der App sehen, wo man war und Infos hierzu bekommen. Leider kann man mit einem normalen Handy nicht so schnell abscannen wie mit einem Scanner. Ich kann den Hintergrund durchaus verstehen, ist aber bei der Masse an gleichzeitigen Wanderern schwer umsetzbar. Der Stau war vorprogrammiert.

Die Kohlsuppe hatte ich mir danach redlich verdient. Auch war die Auswahl an der Verpflegung super. Aber so lange hielt ich mich nicht auf. Ich wusste ja, dass ich schon hinter meiner eigenen Zeit lag – dank der langen Stempelzeit. Nun verteilte sich das Feld schon weitaus besser, eine kleine Wandergruppe war schon abgebogen, doch die Masse blieb. Es wurde ruhiger, der Sonnenuntergang kam. Der Weg ging immer flach entlang, irgendwann dann schon an einem See entlang. Da war es aber schon dunkel. Und ich frage mich bis heute, wie einige so ganz ohne Licht und Reflektionen wandern können. Gerade im Dunkeln ist es wichtig, dass man sehen und gesehen werden kann.

Und irgendwann stieß ich wieder auf eine Warteschlange. Vom Verpflegungspunkt noch nichts zu sehen, nur ein großes Feuerwehrautor mit laufendem Motor. Ich war am zweiten Verpflegungspunkt angelangt. Und hier dauerte es wieder. Bekanntes Problem. Im Endeffekt wartete ich hier 45 Minuten auf den Stempel. Es gab nur ein Paar hierfür. Und ehrlich: die Kommentare der Wanderer vor mir und hinter mir waren deprimierend. Man wurde in dem Stillstand so richtig heruntergezogen. Und immer wieder kamen von hinten Wanderer, die weiter vorne welche kannten und sich so „vordrängelten“. Es war die reinste Katastrophe. Immer wieder zählte ich im Kopf die verbleibenden Kilometer durch und wie ich zeitlich lag. Und ich war schlecht. Mein Puffer war mit der ganzen Warterei schon aufgebraucht. Und dabei hatte ich erst gut 22km hinter mir.

Die Dunkelheit

Nach einer halben Banane ging es nach einer 5 Minuten Pause wieder auf die Strecke. Und ich war wütend und mein Kopf ratterte: werde ich es schaffen? Das waren eigentlich meine einzigen Gedankten für den Weg. Dieser ging nun weiter entlang des Sees. Und irgendwann war dieser bestückt mit brennenden Fackeln am Wegesrand. Und dann kam der Feenwald.

Dort wiesen einige Feen dem Wanderer den Weg. Gegen einen Obulus auch einen Umtrunk. Das kleine Wäldchen und das Trianon waren beleuchtet, einige Feen waren auch illuminiert. Es war magisch!!!! Trotzdem: so richtig genießen konnte man das  nicht. Ich lag einfach schon zuweit zurück. Es war ein gehetze.

Bis Zwenkau war es nicht mehr weit. Dort gab es nur Tee, das Stempeln ging sehr schnell, da auf das Scannen verzichtet wurde. Wieder verzichtete ich auf meine Pause und ab nun wurde es sehr ruhig auf der Strecke. Für viele Wanderer war in Zwenkau Schluss mit Wanderung. Und für den Rest gab es noch eine Wegtrennung. Es ging aus dem Ort hinaus und dann wieder immer entlang eines Sees. Links das Wasser, rechts Gebüsch. Und diese Ruhe tat gut, obwohl es doch sehr plötzlich kam und man erstmals Angst hatte, sich verlaufen zu haben. Und dann kam schon der nächste Versorgungspunkt: mitten im Nirgendwo stand die Feuerwehr mit Partymusik und vergab Getränke. Ich erhielt den allerletzten Becher Cola und setzte mich endlich mal hin auf einer der Bierbänke. Und ehrlich: meine Motivation war am Ende. Es war gegen Mitternacht, ich lag zurück, weit hinter meiner Zeit und, und, und.

Ich raffte mich dann doch auf, der Weg verlief uninteressant weiter bis schon die nächste Versorgungstelle auftauchte: Gaschwitz, 35km waren da vollbracht. Und hier gab es eine Portion Nudeln. Wahnsinn, wie gut das tat!!! Es gab ein Festzelt, was voll war und das Stimmengewirr war der völlige Gegensatz zu der Stille davor. Doch die Pause lies mich nicht wirklich ruhen. Schnell war ich wieder auf den Beinen und lief weiter. Nun entlang eines Kanals, anfangs wieder mit brennenden Fackeln markiert.

Im Endeffekt ging es hier nur stur geradeaus, immer am Kanal entlang. So lange, bis man schon 5km weiter auf den nächsten Verpflegungspunkt stieß: eine Feuerwehr. Hier gab es Kuchen und Bananen und Getränke. Es war ruhig hier. Doch hier fielen auch die ersten Regentropfen. Und der Wetterbericht sagte dies auch so vorraus. Noch war es nicht schlimm, ich lief weiter, nun mit Musik auf den Ohren. Meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt. Immer wieder kreiste es sich darum, dass ich so viel Zeit verloren hatte. Dass ich soweit hinten war. Dass ich es nicht schaffen würde, da ich wusste, dass ich zeitlich immer langsamer werden würde.

Gegen vier Uhr fing es dann richtig mit dem Regen an. Ich war in der Nähe eins Carports und stellte mich kurz unter, legte die Rucksackregenhülle an und entschloss mich, den Regenschirm zu benutzen. Eigentlich war es auch eine bitterkalte Nacht. Doch davon habe ich kaum etwas mitbekommen.

5km später erreichte ich Rötha, den nächsten Verpflegungspunkt. Dieser war in einem Vereinsheim. Der letzte Rest saß erschöpft an den Tischen, es gab Butterbrote. Aufbauend war dies nicht, aber die wenigen Minuten im Trockenen taten gut. Und ich lief weiter. Weiter durch kleine Dörfer. Es wurde heller und man sah die vielen Häuser. Kurz vor Espenhain verlief ich mich dann doch noch. Es waren noch Markierungen vom Vorjahr sichtbar. Durch den Bauarbeiten an der Bundesstraße mit der neuen Autobahn änderte sich die Wanderstrecke. Ich lief der alten Markierung entlang, bis mir die Dame im Einhornkostüm entgegen kam. Wir liefen zurück, und fanden die richtige Markierung, sehr versteckt an einer Straßenleuchte.

Warte…. die Dame im Einhornkostüm? Ja, ich weiß nicht wer sie war. Doch schon vor dem Feenwald traf ich auf sie. Sie war wohl in meinem Alter, trug ein Einhornkostüm und einen kleinen schwarzen Rucksack. Begleitet wurde sie von einem Jungen auf dem Fahrrad. Sie hatte moralische Unterstützung dabei. Clever. Ich traf immer wieder auf sie. Mal überholte ich sie, mal sie mich. Meist war man zeitgleich an den Versorgungsstationen, ich lief dann eher los, irgendwann überholte sie mich wieder. Und ich muss noch betonen: sie hatte weder einen Regenschirm noch einen Poncho. Sie war mittlerweile Klitschenass vom Regen. Ich stellte es mir das nasse und schwere Einhornkostüm vor. Und fror. Und fand es unglaublich stark, wie sie die Strecke so rockte.

Der bittere Morgen

In Espenhain war die Verpflegungstation schon im Abbau. Das letzte Obst und ein schneller Stempel luden nicht zum Sitzen ein. Es war so ganz anders als im letzten Jahr, da hier mein Startpunkt war. Und kurz nach Espenhain war dann endlich auch Halbzeit. Ich jubelte. Doch meine Bestandsaufnahme sah ernüchternd aus: alles war nass, ich war müde, dreckig, genervt, lag zeitlich weit hinten, die Aussicht auf Besserung (bei mir und dem Wetter) war schlecht, ich hatte eine dicke Blase unter meinem linken Fuß. Wow.

Die nächsten Kilometer kannte ich bereits vom Vorjahr. Und ich kam ins grübeln. Sollte ich nun abbrechen oder nicht? Eigentlich hätte ich schon gegen sechs Uhr meinen Freund anrufen sollen, wenn ich abbrechen sollte. Nun war es gegen sieben Uhr. Und dann kam der kleine Berg. Im Vorjahr bin ich hechelnd dort hinauf gestiegen, und nun sah es auch nicht besser aus. Und dann kam die Dame im Einhornkostüm von hinten gelaufen. Zusammen mit dem Radfahrer und einem weiteren Wanderer überholte sie mich in so einem Tempo und Elan am Berg, dass mir so einiges klar wurde: ich wollte und konnte nicht weiter. Wären es noch 20km gewesen, hätte ich diese noch gerockt. So nicht. Bei Kilometer 53 wurde mir bewusst, dass ich abbrechen müsste. Und rief meinen Freund an. Wir vereinbarten, dass er mich am nächsten Versorgungspunkt aufsammeln würde. Würde halt nur noch daueren. 

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Nachdem ich für mich diese Entscheidung getroffen hatte, verlor ich komplett mein Lauftempo. Ich humpelte dahin, sinnierte vor mich hin. Bis ich gegen acht Uhr den Sportplatz Thierbach erreichte. Ich war am Boden. Ich ging zur Stempelstelle für den letzten Stempel, fragte, ob ich abbrechen könnte und die Dame trug mich aus. Kleiner Trost: ich hab trotzdem eine Urkunde erhalten. 58km – Nacht extrem. Und ehrlich: das tat so gut!!! Vielen lieben Dank an die Dame derr Stempelstelle Thierbach!!!

Im Versorgungszelt (viel kleiner als im Vorjahr) war noch reges Treiben. Ich nahm noch die Puddingsuppe mit und wartete im kalten, aber trockenen Zelt noch eine Stunde auf meinen Freund. Es kamen dann doch noch einige Wanderer an, alle erzählten von den langen Wartezeiten an den ersten beiden Stempelstellen. Einige sind dann noch weitergelaufen, einige nicht.

Letztendlich wurde ich abgeholt, danach setzte der Schneeregen ein. Und ich war froh, abgebrochen zu haben. Es ist schwer, wenn der Körper und der Geist nicht mehr wollen. Es war mein erster DNF – Did not finish. Es ist okay. Ich habe dazugelernt. Ich bin durch die Nacht gelaufen, und hatte dabei weniger Probleme mit der Müdigkeit als gedacht.

Ob ich es noch einmal versuche? Wahrscheinlich ja. Aber bitte ohne die Scannerei. Ich hatte viele Situationen vorher gedanklich durchgespielt. Aber mit der Warterei hatte ich nicht gerechnet. Es hat nicht alles gepasst an dem Tag. Das ist auch okay.

Fazit

Es war wieder eine tolle Veranstaltung. Und ich kann immer wieder nur betonen, mit welch Engagement und Herzblut viele kleine Vereine an der Umsetzung der Wanderung beteiligt sind. Ob es nun der Feenwald, die Feuerwehr mit Fackeln und Lagerfeuer oder die vielen Helfer an den Versorgungsstationen sind. Alles sind freundlich und aufmunternd. Nur die Sache mit den viel zu langen Stempelstellen stößt doch bitter auf. Da hoffe ich auf Besserung!!!

 

 

 

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