Reine Dokumentation, wenig Gefühl
Aufmerksam wurde ich auf das Buch über die Bücherkultur Challenge. Klar, dass es davon auch einen Film gibt, das wusste ich schon. Aber erst jetzt hatte ich die Lust auf dieses Buch, wo man denkt, dass jeder es schon gelesen hat und für supertoll empfunden hat. Also so ähnlich wie „Der englische Patient“ von Michael Ondaatje. Das schraubt natürlich die Erwartungen ganz von allein in die Höhe. Trotzdem möchte ich euch hier berichten, wie ich dieses Buch empfand. Ganz ohne den Erwartungen.
In dem Buch dreht sich alles um Lilly (Aimeé), eine deutsche Ehefrau, und der Jüdin Felice (Jaguar). In Berlin 1942 lernen sich die beiden kennen und lieben. Doch die Liebe bleibt kurz, aber sehr intensiv. Denn es kommt der Punkt, wo das Versteckspiel um Felice ein Ende hat: sie wird nach Theresienstadt deponiert. Aber Lilly gibt die Hoffnung auf ein Happy End nicht auf.
Es ist ein Buch über die Liebe der zwei Damen. Über das Leben. Die Geschichte ist wahr. Im Buch findet man auch viele Dokumente und Bilder aus der Liebeszeit. Die Autorin hat keinen Roman erschaffen. Es ist eine Dokumentation, schon eine Art Biografie der Handlungen von Lilly und Felice. Immer wieder wird diese zeitliche Abfolge von Interviewfetzen von Lilly und anderen Beteiligten oder von Briefen unterbrochen. Das dient zwar der Tragik, dem Bewusstmachen, dass dies wirklich so geschehen ist – aber es stört unheimlich im Lesefluss. Es wirkt sehr detailverliebt, welches aber auch unnötige Wiederholungen generiert.
Trotzdem haben die Interviewfetzen und Briefe etwas Gutes: sie zeigen, wie es wirklich war. Denn die Autorin schreibt ihren Teil (d.h. die Abfolge der Geschehnisse) sehr kühl herunter. Man hat sogar den Eindruck, als würde die Autorin Lilly (also Aimée) hassen. Auch wenn die Autorin ja einige Interviews mit der Protagonistin des Buches geführt hatte, gibt es kaum Hinweise darauf, warum Frau Fischer die Lilly so gar nicht mag (nur Mutmaßungen meinerseits). Das erinnerte mich stark an „Der Buchhalter von Auschwitz“, wo auch der Autor sehr seine Meinung vertrat. Hier in dem Buch geht Frau Fischer nicht ganz so weit mit dem Hass wie Herr Engelmann. Aber man spürt ihn durch und durch. Die Autorin redet abfällig über Lilly und verehrt Felice. Für mich hinterlässt dies einen bitteren Beigeschmack, da ich, wenn ich dieses Buch mit den Taten lese, diese Abneigung gegenüber Lilly nicht verspüre. Ja, natürlich lebt Lilly in ihrer eigenen Welt und macht es sich dort schön. Aber das reicht für mich nicht zu einer Verurteilung.
Über die Personen mag ich nicht besonders viel schreiben. Beide haben sie gelebt und taten was sie konnten oder mussten. Alles taten sie aus dem Zwang heraus zu überleben. Beide liebten sich. Felice, die starke Kämpferin im Untergrund und Lilly, die alleinerziehende Mutter von vier Kindern. Es ist eine ungewöhnliche Liebe. Das geht in den vielen Abfolgen der Tage und Geschehnissen fast unter. Klar, die Liebesbriefe sind der Beweis. Aber: es ist eine Liebe zwischen zwei Frauen. Und das in der Nazizeit. In dem Buch wird es als so normal hingestellt, als wäre dieser Fakt nichts Besonderes zu dieser Zeit gewesen. Im Buch wird eher auf die Thematik Liebe zwischen „Nazipack“ (Seite 17) und Juden eingegangen. Doch bei beiden war es wohl schon immer klar, dass sie auf Frauen stehen. Und selbst als Lillys Eltern von der Liebe zu Felice erfahren, ist es voll okay. War dies wirklich damals so? In einer Welt, wo ein sehr klares Familienbild existierte (und keine Abweichungen zuließ)?
Zusammenfassend ist es ein Buch, das mit der Autorin steht oder fällt. Es ist da auch viel Geschmackssache des Lesers dabei. Das ändert aber nichts an der Beziehung und Geschehnissen rund um Aimée und Jaguar. Diese sind schön, heiter, aber auch tragisch. Und das aufziehende Unheil schwingt da immer mit. Und es wird leider kommen. Es wird kein Happy End der Liebe geben. Schade. Ich hätte die beiden zu gerne kennengelernt.
Als nächstes werde ich noch den Film hierzu anschauen. Ich hoffe, dass dieser mehr Gefühl mitbringt als das Buch. Ganz sicherlich. Denn diese Lebensgeschichte strotzt nur von Liebe und Gefühl.
Erica Fischer – Aimée & Jaguar: Eine Liebesgeschichte, Berlin 1943
Dtv Verlag
313 Seiten
3 Sterne