Der Traum von Freiheit
Vor einigen Jahren wurde ich auf der Straße von einem lokalen Stadtmagazin angesprochen und gefragt was Freiheit wäre. Ich antwortete sehr spontan. Später fielen mir noch tausend andere Definitionen ein. Denn sind wir mal ehrlich: Freiheit definiert jeder anders. Für mich ist jedoch das Einschränken meines Tuns durch die Staatsgewalt der Bruch der Freiheit. Und im Endeffekt dreht sich auch alles im folgenden Buch:
Zwei junge chinesische Studenten müssen zu der Zeit Maos notgedrungen in ein Umerziehungslager. Hierbei werden die zwei Jungen in ein sehr entlegenes Dorf zur Arbeit geschickt. Durchhalten können sie nur durch die Liebe zu einem Mädchen und durch Bücher. Diese gibt es nur heimlich, aus dem Koffer eines anderen Studenten ein Dorf weiter. Und dieser passt nur zu gut auf seinen verbotenen Schatz auf…
Die zwei jungen Chinesen, der Erzähler ohne Namen und sein bester Freund Luo teilen sich ein Schicksal. Die Eltern sind nicht gerade für Mao, deshalb müssen die Kinder einfach umerzogen werden. Doch die verbitterte Einsamkeit der abgelegenen Bergdörfer schweißt die beiden zusammen und gehen durch dick und dünn. Und doch gibt es kleine Feinheiten der Unterschiede.
Eine ist die Erzählkunst. Der Erzähler kann sie uns verdeutlichen, indem er das aktuelle Geschehen uns erzählt. Luo erzählt gern nach. Daher lieben die beiden ihre offiziellen Besuche in die Stadt, um neue Kinofilme zu schauen. Und beide genießen die anschließenden Nacherzählungen in den Dörfern rund um den Berg. Das hat wohl wenig mit Umerziehung zu tun. Denn auch die Bergbewohner wissen den Nutzen um die Studenten. Doch auch diese Ausflüchte in die Stadt werden bald langweilig. Bis sie ein Buch in die Hände halten, dass voll und ganz verboten ist in China. Und als leidenschaftliche Leser lieben sie das Buch.
Und wie das so läuft mit der Raupe Nimmersatt: man möchte mehr und mehr. Und die beiden Studenten riskieren schlussendlich viel, nur um an noch mehr Geschichten zu kommen. Ist dies noch vertretbar? Ja, denn Bücher verleiten zum Träumen. Gut so.
Und nur beim Träumen bleiben die beiden ja auch nicht. Wie bei den Filmen erzählen sie die Geschichten weiter. Mal mehr, mal weniger korrekt. Vor allem der jungen Schneiderin aus einem Nachbardorf haben es die Bücher angetan. Und auch Luo ist ganz hin und weg in das Mädchen verliebt. Ob das gut gehen kann? Wohl kaum. Doch ausbaden muss es schlussendlich unser Erzähler. Er ist ruhige Pol in dieser Geschichte. Reflektiert. Analysiert. Begeistert und hilft auch mit, trotz aussichtsloser Liebe zu der jungen Schneiderin.
Es ist ein kleines Buch. Ein leises Buch. Und doch bleibt es in Erinnerung. Vor allem durch die Gefühle, die Stimmung, die aus dem Buch zum Leser schwappt. Und schon allein wegen der Bücher und der Drang nach Freiheit sollte man das Buch lesen. Zurecht ist dieses Buch in der Bücherkulturchallenge.
Dai Sijie – Balzac und die kleine chinesische Schneiderin
Piper Verlag
200 Seiten
4 Sterne