Selbstgejammer
Letztes Jahr zur Leipziger Buchmesse wartete ich ja auf das Interview mit der Stefanie Hertel. Schon eine Weile vor dem Termin saß ich am Ort des Geschehens. Eigentlich nur, um einen guten Sitzplatz zu sichern. Aber das Interview vor der Frau Hertel faszinierte mich. Ich mochte den Autor, das Buch klang ganz nett. Und so landete es dann auch schnell in der Messebuchhandlung in meine Arme. Man kann es sich wohl schon denken, dass es sich hierbei um das betitelte Werk ging.
Michael Schürtz kehrt der Arbeit wegen wieder in sein Kaff zurück. Lange war er nach Berlin geflüchtet. Und nun muss er als Architekt die neue Wohnsiedlung mit aus dem Boden stampfen. Und nicht nur das: neben seiner Arbeit kommen immer wieder Erinnerungen. An damals, an seine Geschwister, an Fußball. Und irgendwie ging es doch all die Jahre auch ohne ihn weiter und ist doch überall die Zeit stehen geblieben.
Und eigentlich ist das auch die Storyline des Buches: es geht voran aber irgendwie doch nicht. Es ist kein Buch voller Erzählstränge und Irrungen und Wendungen. Für mich war es einfach zu langweilig. Für andere, die Käffer romantisieren, würde dieses Buch wohl eher passen. Denn hier wird sehr viel romantisiert. Das ist ja nicht verwunderlich: mit dem Großstädter Michael kommt einer mit verklärtem Blick zurück in die Heimatstadt.
Aber auch wenn er noch so einen verklärten Blick hat, Michael bleibt durch und durch egoistisch und selbstverliebt. Seine Geschwister lässt er schnell links liegen. Dahingegen wurmt ihn sein Verhältnis mit der Mutter doch schon sehr. Da diese aber schon verstorben ist, kommen nur langweilige Erinnerungsszenen zum Vorschein. Diese bringen natürlich ein wenig Licht in die Gedankengänge des Michaels. Aber neben diesen wunden Punkt der Mutter bleibt er durchweg unsympathisch.
An manchen Stellen kann man natürlich auch über seine Witze lachen. Diese sind rar gesät und wirken für viele auch eher peinlich als witzig. Meinen Humor traf es dann doch. Ansonsten ist viel Geplänkel und Gejammer zu hören. Da ist wieder etwas passiert, dort will man nicht mit machen.
Im Endeffekt passiert also nicht viel in dem Buch. Michael geht da hin. Michael geht dort hin. Michael trainiert die Fußballmannschaft. Immer und überall ist er unterwegs. Er sucht, der Leser sucht, und trotzdem finden beide nichts. Okay, Michael findet ein wenig Familienleben, aber so richtig gesucht und gefunden wollte er es ja dann doch nicht so.
Es ist jetzt kein großartiges Buch. Ich bin eher enttäuscht, wohl auch durch die hohen Erwartungen durch die Vorstellung auf der Buchmesse. Da kommen Erinnerungen an Zuckersand hoch. Wer aber sich ein wenig romantisieren möchte und sich für deutsche Gegenwartsliteratur interessiert, wird hier sicherlich Spaß haben. Die Charakterzüge Michaels waren hingegen dann doch nicht so mein Ding.
Letztendlich muss ich doch noch etwas erwähnen. Dieses hier beschriebene „Kaff“ ist in meinen Augen kein Kaff. Denn was ist ein Kaff? Für mich es ein Ort, wo sich der Hase und der Fuchs „Gute Nacht“ wünschen. Meine Heimatstadt ist so ein Kaff. Nichts los. So überhaupt nichts. Und hier in dem Buch? Großes Industriegebiet, großes (vergammeltes) Fußballstadion, Fußballplatz im Wald, Kulturprogramm mit Museum, eigener Buslinie, Stadtteile, Einkaufszentrum usw. Ich weiß nicht so recht. Ich kann es mir einfach nicht als Kaff vorstellen. Sorry.
Jan Böttcher – Das Kaff
Aufbau Verlag
267 Seiten
3 Sterne