Künstler unter sich
Im Oktober war ich auf Dienstreise in Linz/Österreich. Und da habe ich mich getraut, was ich mal schon immer machen wollte, es bisher aber noch nie getan hatte: ich bin in eine lokale Buchhandlung gegangen und habe nach Empfehlungen für mich gefragt. Ich nannte der Buchhändlerin Werke von Seethaler und Arno Geiger. Als Antwort hielt sie mir „Max“ von Markus Orths entgegen. Sie nannte noch weitere Empfehlungen, aber ich blieb beim ersten Buch. Sie freute sich für mich und nannte es eine gute Entscheidung.
In dem Buch dreht sich alles um den Künstler Max Ernst. Geboren in Deutschland versteht er sich schon früh kaum von der Außenwelt verstanden. Zwar ist sein Vater auch Maler, aber Max will Künstler werden. Und so zieht er nach der Ausbildung schnell nach Paris. Begleitet wird er immer von diversen Frauen. Einige heiratet er, andere wird er einfach nicht mehr los. Und so spiegeln sich seine Dramen und sein Leben auch in den jeweiligen Frauen wieder.
Das klingt jetzt schon so, als wäre Max Ernst ein wahrer Schwerenöter. War er wahrscheinlich auch. Aber dieses Buch poträtiert sechs Frauen, die sein Leben geprägt haben. Und somit ist dieses Buch keine Biografie über den Künstler. Vieles wird durch die Blicke und Taten der Frauen erzählt. Das erscheint anfangs noch ein wenig schwer, da die Person Max Ernst lange beim Leser verschlossen bleibt. Aber man lernt ihn über seine Frauen zu mögen.
Orths schafft es, viele Charaktere unter einem Hut zu bringen. Und alle sind sie liebenswürdig. Alle haben ihren Splin. Und das scheint in der verrückten Künstlerwelt durchaus der Regelfall zu sein. Und Max Ernst kennt die Künstler der Welt. Dali, Picasso, Guggenheim und viele mehr kommen hier auch mal kurz zu Wort. Denn na klar, sie lebten nun einmal in der gleichen Zeit. Aber ohne Künstlerwissen (wie ich) kommt man prima durch das Buch. Es macht Lust, die beschriebenen Bilder und Künste von Max Ernst selbst zu betrachten. Es ermöglicht einen Zugang zur Künstlerwelt und Kunstgeschichte. Ohne belehrend zu wirken.
Denn es ist und bleibt ein Buch über das Leben von Max Ernst. Und neben den vielen Künsten kommt auch die bittere Realität nicht zu kurz. Der erste Weltkrieg wird noch in seinen Jugendjahren abgefertigt. Aber der zweite Weltkrieg trifft Max Ernst, der „entartete Kunst“ tätigt und von Deutschland verschmäht wurde, sehr. Denn in Frankreich ist er als Deutscher auch nicht sicher. Durch viele Umwege, Frauen und Künstlerkontakte schafft er es schließlich doch. Und immer weiter sucht er. Nach Anerkennung, nach Käufer für seine Bilder, nach der Liebe, nach Ruhe. Ob er dies alles findet? Das muss man dann selbst lesen.
Leider gibt es doch noch einen kleinen Kritikpunkt. Das Buch hat durchaus seine Längen. Vor allem wenn ausgiebig über das Leben der jeweiligen Frau erzählt wird. Von Geburt, Kindheit, Jugendjahre bis hin zum ersten Treffen mit Max Ernst. Natürlich hilft dies, die jeweiligen Frauen zu verstehen. Doch kommt es im Vergleich zu den direkten Einblicken in Max‘ Leben doch zu ausgiebig herüber. Manchmal wurde ich das Gefühl nicht los, dass der Autor trotz seiner ausgiebigen Recherche mehr zu den Frauen als zu Max Ernst an sich gefunden hat. Geschickt kann er dies natürlich in den Erzählstrang einfließen lassen. Doch ganz kann er diesen Aspekt dann doch nicht verbergen.
Es ist ein kluges Buch über einen Künstler. Man kann es aber auch sehr gut ohne Hintergrundwissen lesen. So wie ich eigentlich.
Und tatsächlich, das Buch war eine gute Entscheidung. Ich sollte wohl öfters mal in einen Buchladen gehen und Buchempfehlungen wünschen. Denn dafür sind doch die Buchhändler da, oder? Für eine individuelle Beratung. Fern ab von den Onlineportalen.
4 Sterne
Markus Orths – Max
Hanser Verlag
573 Seiten