Vor über zwei Monaten fand das berühmte Literaturcamp in Heidelberg statt. Und ich war zum ersten Mal mit dabei. Wie es mir dabei ergangen ist? Hier ist mein Statusbericht.
Angefangen hat alles in den letzten Stunden des Jahres 2017. Auf Twitter. Ich bin ja so der Eventtwitterer und Silvester war nun mal wieder ein Anlass zum twittern. Und plötzlich tauchte da ein Tweet in meiner Timeline auf. Dass ab 23:59Uhr der erste Wurf an Tickets für das Litcamp in Heidelberg rausginge. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie hat mich dieser Tweet geflasht. Im Suff habe ich dann schnell meine Jahresvorsätze zusammengestellt: Fichtelbergmarsch, 7 Seen Wanderung und Litcamp 18. Das neue Jahr war noch keine 3 Stunden alt und ich hatte meine Tickets für Heidelberg. Und dann war erst einmal Ruhe damit. Lange habe ich es ignoriert, sehr spät Hotel gebucht und noch später meine Anreise geplant. Letztendlich bin ich mit dem Auto statt der Bahn gefahren. Grund war eine Dienstreise. Dadurch habe ich ordentlich Kilometer quer durch Deutschland zurückgelegt. Aber es hat sich gelohnt!!!
Doch was ist das Literaturcamp überhaupt? Es ist ein Barcamp für Autoren, Verlage, Blogger und einfach Buchverrückte. 2 Tage finden im Dezernat 16, einer alten Feuerwehrstation, Vorträge (Sessions) statt. Welche das sind, wird erst am Tag der Veranstaltung geplant. Denn das Litcamp lebt vom Mitmachen. Jeder Teilnehmer kann Sessions halten.
Nach der Vorstellungsrunde, wo wirklich jeder sich am Mikrofon kurz vorstellen musste, ging es schon in die erste Sessionplanung für den Tag. Und irgendwie war ich richtig erschlagen von den vielen Teilnehmern, die unbedingt eine Session halten wollten. Jeder Vortragende stellte sich und sein Thema vor. Das dauert, lohnt sich aber. Ich hatte es kaum geglaubt, aber jeder hat einen freien Slot bekommen. Insgesamt wurden an den zwei Tagen drei Sessionplanungen durchgeführt (für Samstag, für Samstagabend und für Sonntag).
Bei den Themen war ein sehr breites Spektrum dabei. Von Hilfeleistungen wie „Einführung ins Barcamp“, „Storys plotten“, Einführung ins Podcasting, waren auch viele Erfahrungsberichte am Start: „Leben als Selfpublisher“, Hörbuchverlag, usw. Abends fanden auch einige Rollenspiele statt. In zwei Räumen wurden die Sessions aufgezeichnet und stehen nun auf Youtube zur Verfügung. Da könnt ihr gerne einmal vorbeischauen, um einen Blick auf die Sessiongestaltung zu erhalten.
Natürlich konnte man nicht zu allen vorgestellten Sessions gehen. Viele liefen ja auch gleichzeitig. Da musste man sich konsequent Prioritäten setzten. Oder wie bei mir: auf welche Session hab ich zurzeit so richtig Bock? Und meist waren das Sessions, die nur im Entferntesten etwas mit Literatur zu tun hatten. Mich hat die Lebenserfahrung gereizt: Ärzte ohne Grenzen, Transgender, Suizid, „Wie bringe ich meinen Hauptcharakter fachgerecht um?“.
Und irgendwie hatte mich der erste Tag so geflasht, dass ich für den zweiten Tag auch eine Session plante (obwohl ich dies nie vor hatte eine zu halten). Und man kann es sich wohl denken, worum es bei mir ging: Erfahrungen von den Jakobswegen. Und ihr glaubt gar nicht, wie stolz ich war, am Mikro meine Session vorstellen zu dürfen. Angst hatte ich. Viel Angst. Aber die Überwindung tat so gut. Und die Session war wunderschön. Ich hätte noch Stunden weiterreden können.
Im Endeffekt waren es zwei sehr schöne und verrückte Tage. Bestes Wetter. Leckeres Essen. Die Atmosphäre war einzigartig. So viel Positivität habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Zwei Tage war es wie ein Leben in einer komplett anderen Zeitzone und Zeitebene. Wenig Schlaf, aber dafür viel Stärke, Mut und Just do it.
Anbei noch zwei Kritikpunkte: der Samstagabend. Dass da die Sessions lockerer werden ist nach dem langen Tag verständlich. Aber es drehte sich zu oft um das Thema Alkohol. Zum Teil war es ja dann doch ein Besäufnis. Es wurde einfach zu oft betont. Ich hatte weder Lust auf Alkohol noch auf ein Besäufnis (oje, ich werde alt), und da war dieser permanente Alkohol schon sehr nervig. Zumal damit ja auch die Lautstärke einiger sehr rapide anstieg. Ich bin ja kein Alkoholverweigerer (siehe Silvester 2017), aber ich muss mich nicht ständig betrinken und extra betonen.
Auch zur Sessionplanung gibt es Kritik: Für die Planungen stellt jeder sein Sessionthema vor. Leider fand man oft diese Themen sehr schwer an der Wand (Sessionkalender) wieder. Das liegt natürlich an der Vorstellung des Vortragenden selbst. Aber: für die Onlineversion des Sessionkalenders wurden viele Vorträge anders betitelt. So wurde z.B. auch aus meinem „Pilgern – Wie weit muss man gehen?“ die Veranstaltung „Pilgern – Warum muss jede*r darüber schreiben?“. Gut, dass mit dem Genderding ist diskutierbar (ich bezeichne mich als Pilger und nicht als Pilgerin). Aber das Stichwort aus der Beschreibung des Sessionzettels als Topic zu nehmen ist schon nicht schön. Man macht sich ja selbst Gedanken zu der Sessiongestaltung. Jedenfalls, die Onlineversion war gut und schön. Aber ehrlich gesagt kaum nutzbar, da sehr oft andere Titel als an der Sessionwand im großen Raum standen. Und so blieb eigentlich nichts anderes übrig, als nach jeder Session nochmals zur Wand zur laufen, um auch wirklich keine interessante Session zu verpassen.
Trotzdem: es war eine sehr schöne Veranstaltung. Man merkt, dass da viel Liebe hineingesteckt wird. Das Essen. Slusheis. Livestream. Pool. Kinderbetreuung. Ruhezonen. Flexible Sessiongestaltung. Man kann überall mitmachen. Auf das, auf was man gerade eben so Bock hat. Und sehr viel Twitter.
Also, ihr wisst was das heißt: nächstes Jahr sehen wir uns wieder. In Heidelberg. Dezernat 16. Am 29. und 30. Juni 2019.
Oh, das klingt interessant! Vielleicht melde ich mich auch mal an!
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