Han Kang - Menschenwerk

Han Kang – Menschenwerk

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Der Schrecken der Menschheit

Das Buch: Es ist das Jahr 1980 in Gwangju. Die Zeit des Gwangju-Massakers. Und mittendrin der Junge Dong-Ho, der seinen besten Freund in den Wirren des Aufstandes sucht. Doch Hoffnung hat er nicht. Er sucht unter den Leichen nach seinem Freund. Aber auch Menschen, die den Aufstand überleben, leben kaum noch. Jahre später nach dem Aufstand kämpfen sie immer noch gegen das Trauma der Sinnlosigkeit von Gewalt.

Han Kang - Menschenwerk

Das Fazit: Ich muss zugeben: ich hatte von dem Massaker noch nie gehört. Aber das Buch fordert auch keine geschichtlichen Kenntnisse. Denn Gewalt ist Gewalt. Töten bleibt töten. Die Sinnlosigkeit von Krieg spürt man auch hier. Und darum geht es auch eigentlich: wie Menschen in den Wirren des Krieges überleben und weiterleben. Und Han Kang kann dies sehr gut und ergreifend dem Leser näherbringen.

Han Kang erzählt teilweise sehr kalt und klar über die Schicksale. Dies gibt dem Buch die gewisse Eindringlichkeit. Man möchte so etwas nicht lesen, aber man fühlt diese Hilflosigkeit der Charaktere. Und möchte sie nicht einfach loslassen und nicht weiterlesen. Denn das hilft: einfach weiterlesen.

Gegliedert ist dieses Buch in die einzelnen Personen. Jeder hat sein eigenes Trauma zu verarbeiten. Es beginnt mit Dong-Ho, der seinen besten Freund unter den zahllosen Leichen sucht. Die Seele des toten Freundes erzählt von der Leichenverwesung und weitere Bekannte von Dong-Ho müssen die Traumata irgendwie verarbeiten. Meist eher schlecht als recht. Bis auf den Seelenausflug, der zwar irgendwie passend war (wie soll man sonst von so einer Zwischenwelt erzählen?), aber auch kaum zu den anderen Schicksalen passt, ist dieses Buch sehr realistisch geschrieben. Es kann durchaus solche Personen geben mit all ihren Problemen während und nach der Zeit des Aufstandes.

Nachteilig können für unsere Regionen die Namenswahl werden. In unseren Ohren klingen alle Personen gleich. Aber dies ist kein Kritikpunkt meinerseits. Natürlich hatte ich Probleme mit den Namen, aber dieses Buch spielt nun einmal in Korea.

Erzählerisch hat Han Kang klar und einfach die Geschichten der Personen dargestellt. Und trotzdem kann der Leser die einzelnen Personengeschichten selbst in eine zeitliche Reihenfolge stellen und Zusammenhänge erarbeiten. Aber Han Kang schafft dies auf eine einfache Weise (ohne einfach herüberzukommen). Leider kommen dem Leser die ersten Kapitel/Schicksale sehr stark und durchdacht vor. Im Laufe des Buches flachen die Schicksale jedoch ab. Die Eindringlichkeit dieser Sinnlosigkeit von Gewalt verklärt sich auch in der Realität über die Jahre. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr werden die Erinnerungen verklärt. Obwohl dies bei den Charakteren kaum der Fall sein dürfte. Aber für den Leser spielen sich die vielen Jahre danach in wenigen Stunden ab. Und leider schafft die Autorin es nicht ganz, den Spannungsbogen über das ganze Buch hinweg konstant zu halten.

Zusammenfassend ist es ein starkes Buch über die Brutalität und Sinnlosigkeit von Hass und Gewalt. Es zeigt auch das Potenzial der Autorin. Der Hype um sie ist wohl durchaus berechtigt und macht Lust auf weitere Werke (z.B. „Die Vegetarierin“).

4 Sterne

Aufbau Verlag – 214 Seiten (Hardcover) – 20,00€

ISBN 978-3-351-03683-6

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