Erben muss gelernt sein
Das Buch: Karla genießt das ruhige Rentnerleben. Dann meldet sich unverhofft der alte Arbeitskollege Wolfram, mittlerweile auch Rentner. Er lädt sie zu einem Gespräch ein. Es geht um sein Erbe, denn Wolfram ist schwer krank und wird in absehbarer Zeit sterben. Und er möchte Karla sein Vermögen erben. Die Hälfte des Vermögens bei der Pflege bis zum Tod. Oder Karla muss mehr tun: Wolfram töten. Wenn er es will. Dann bekommt sie die große schöne Villa.
Das Fazit: Karla, die resolute Rentnerin lässt sich nicht lange bitten. Schnell ist die Ausgangssituation geklärt und Karla zieht zu Wolfram in die Villa. Was tut man nicht alles für das Geld. Doch leider bleibt dieser Aspekt sehr unberührt. Kaum kommt die Gefühlswelt oder auch der womögliche Tötungsakt von Karla dem Leser nahe. Karla sitzt eher das ganze Geschehen aus. Sie ist zwar die Leidtragende und Erbin von Wolfram. Doch es scheint, als würde sie das Leben in der Villa eher als Reise sehen und still ertragen. Denn sie wohnt nun nicht alleine in der Villa.
Zusammen mit ihr zieht auch die schöne Judith, eine alte Kollegin von Wolfram und Karla und ihr undurchsichtigen Liebhaber Cord ein. Beide bleiben fern dem Leser, doch weit mehr aktiv im Leben in der Villa. Karla verkommt zur Haushälterin und Pflegerin, Judith genießt das Villaleben. Und Cord ist unberechenbar. Er wird zwar zum Hausmeister der Villa engagiert, bringt dann noch seine zwei Kinder vorbei. Vor allem hilft er mehr oder weniger ungewollt Karla oft aus der Patsche. Trotzdem bleibt er für Karla wie auch dem Leser durchaus unsympathisch. Auch als er der großen Gegenspielerin „Die Qualle“ hinterherjagt.
Die Qualle bringt den erhofften Schwung in das Dilemma um das Erbe. Die Tochter von Wolfram möchte natürlich erben. Und mag die plötzliche Gegenspielerin überhaupt nicht. Doch Karla lässt sich nicht abschrecken: mit Unterschriftenfälschungen und Aussitzen versucht sie, sich aus der komplizierten Erbsituation hinauszuschleichen.
Trotzdem kommt es immer wieder zu komischen Situationen, wo man einfach schmunzeln muss. Denn eigentlich verhalten sich die Charaktere durchaus realistisch. So bürgerlich, nicht abgehoben. Denn das machen die Bücher von Ingrid Noll aus: urkomische Situationen aus dem Alltag gegriffen. Obwohl…. das mit dem Töten jetzt nicht dem Alltag entspricht. Aber das Verhalten und Denken der Charaktere schon. Das kann Frau Noll. Leider hier nur ein wenig zu wenig Aktion seitens der Protagonistin. Da hätte durchaus mehr kommen können, wenn sie schon so gierig auf das Hab und Gut eines alten, reichen und todkranken aus ist.
Es ist eine schöne Lektüre mit einem doch ungewöhnlichen Thema. Leider kommt es doch nicht ganz an Die Apothekerin heran. Da fehlte hier einfach die letzte Spritzigkeit. Trotzdem ist es kein langweiliges Buch. Ein schöner Schmöker.
4 Sterne
Diogenes – 253 Seiten (Hardcover) – 21,90€
ISBN 978-3257243116