Mission Neue Welt: Ein realitätsnaher Bericht über das Leben
Das Buch: Mitten in der Wüste von Arizona entsteht das Projekt Ecosphere (E2). Nachdem der erste Versuch kläglich gescheitert ist, soll beim zweiten alles richtig laufen: drei Männer und drei Frauen leben zwei Jahre in einer erschaffenen Welt. Ziel ist es, ein ideales Leben zu erschaffen. So, wie es wohl auch zukünftig aussehen könnte – vielleicht auch auf einem anderen Planeten. Und in diesem übergroßen „Terrarium“ inklusive Wüste, Dschungel und Ozean gibt es nur eine Regel: nichts darf in dem Jahr nach draußen gelangen – nichts darf hineingelangen…
Fazit: Zuerst sollte man diese oben genannte Regel ein wenig einschränken: es wird sich hier nur auf Gegenstände und Sauerstoff, Wasser, etc. bezogen. Die Regel schließt nicht die Kommunikation ein. Denn diese findet fast zu viel statt. Via Telefon, Live-Schalten und Besucherfenster (a la amerikanische Gefängnisse) lassen doch einen regen Austausch zwischen Drinnen (Terrarium) und Draußen (außerhalb Terrarium) zu. Leider ist dies schon ein großer Kritikpunkt – denn so richtig abgeschottet von der Welt sind die sechs eingeschlossenen Personen dank Besucherfenster absolut nicht.
Kommen wir zum Positiven: das eigentliche Highlight des Buches ist und bleibt das Terrarium, die Ecosphere, E2. Durch die vielen Beschreibungen in und um diese abgeschlossene Welt herum ist wirklich gelungen. Man spürt die reine Luft, den Frieden dieser Welt und möchte gerne auch Teil davon sein. Dazu benötigt der Autor keine langen Seiten voll mit Beschreibungen. Es reicht, durch die verschiedenen Charaktere und deren Blicke die neue Welt dem Leser schmackhaft zu machen.
„Die Leute begriffen nicht, was das Besondere an E2 war: Es war eine mögliche Welt, und die Absicht war, sie im Laufe von hundert Jahren nach und nach so zu verändern, dass es eine ideale Welt sein würde. […] Es bedeutete: Die Luftschleuse war und blieb hermetisch verschlossen, nichts rein, nichts raus, ganz gleich, was mir oder einem meiner Teamkameraden passierte.“ Seite 386.
Aber nun zum Buch: Erzählt wird die Story aus drei Perspektiven: Dawn, die dieses Jahr als Mission ansieht und der Zukunft der Welt dienen möchte. Ramsay, der das Leben und die Liebe liebt, und eher das Jahr als Abenteuer sieht. Und dann gibt es noch Linda, die unbedingt in das Terrarium wollte. Leider hat sie es nicht geschafft und wird nun als Beobachter eingesetzt. Sie wacht per Videokameras über die Insassen und besonders über Dawn. Denn diese hat ihr den Platz im Terrarium eingenommen. Alle drei Charaktere haben ihre Abgründe und sind doch liebenswert. Man kann sich leicht mit ihnen identifizieren. Es könnten auch wir sein, die sich einschließen lassen.
Und bei diesen Beschreibungen wird doch schon all die Dramatik deutlich: Linda hasst Dawn, gibt sich aber als die beste Freundin ihr aus. Denn außerhalb des Terrariums werden einige Intrigen gesponnen – und Linda mischt da kräftig mit. Drinnen sieht es natürlich auch nicht anders aus: mit der Zeit entwickeln sich Dramen, Freundschaften und Feindschaften. Letztendlich wird auch über das Essen gestritten. Denn als Selbstversorger müssen sie mit dem auskommen, was sie haben. Und so besteht eine totale Abhängigkeit zwischen den Teammitgliedern. Und auch zu dem Projekt besteht eine große Abhängigkeit. Denn als der Strom ausfällt, wird die Luft knapp im Terrarium. Und nun entscheidet es sich: soll die Luke nun geöffnet werden oder nicht? Leben oder für das Projekt sterben?
Okay, das klingt jetzt sehr dramatisch. Wird es auch zwischendurch. Aber eher geht es hier um die Gruppendynamik und was zwischen den Personen passiert. Und auch, wie das Projekt auf die einzelnen Geschehnisse reagiert (auch, um möglichst viele Zuschauer generieren zu können).
Trotzdem lässt die Geschichte und deren Verlauf mir das Gefühl zurück, dass der Autor nicht wusste, wie er die Story enden lassen könnte. Als könnte er sich nicht entscheiden. Denn eigentlich hätte man locker noch einen Band über dieses Projekt schreiben können: Wie ging es mit den Charakteren weiter? Wie verläuft dieses Projekt überhaupt? Denn mit dem Ende des Buches fängt das eigentliche Drama an. Was da genau passiert, mag ich hier nicht schreiben. Aber Linda ist davon absolut nicht begeistert.
Zusammenfassend ist es ein gutes Buch mit einem durchaus interessanten Thema. Es wird auch keinesfalls zu wissenschaftlich, da es hier eher um die Charakterentwicklungen geht. Da man doch die Personen sehr mag, möchte man schon, dass diese Geschichte nicht endet. Und trotzdem zeigt dieses „Einschließen auf Zeit“ auf, worauf wir im Leben achten sollten: unsere Umwelt. Denn diese müssen wir unbedingt erhalten, um lebensfähig zu sein. Leseempfehlung!!!
4 Sterne
Hanser Verlag – 604 Seiten (Hardcover) – 26,00€
ISBN 978-3-446-25386-5