Robert Seethaler – Der Trafikant

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Typisch Seethaler

Das Buch: Der junge Franz muss auf Drängen seiner Mutter die ländliche Idylle am See verlassen und eine Lehre beim Trafikanten Trsnjek in Wien antreten. Und so bekommt Franz das Wiener Leben und die Welt von 1938 mit. Denn in einem Trafikanten gibt es vor allem Zeitungen und Tabak. Und ein Kunde ist Sigmund Freud. Und mit ihm  hält Franz so einige interessante Gespräche… vor allem die Liebe zu Anezka, die nicht wirklich Franz´ Liebe erwidert….

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Das Fazit: Es ist ein typischer Seethaler. Da könnte man jetzt schon aufhören mit der Rezension. Der Autor hat einen wunderbaren Schreibstil, mit viel Charme, einer Brise Humor und viel Herz. Und alles sehr unaufdringlich. Und das ist sehr erfrischend.

„Ein guter Trafikant verkauft nicht einfach nur Tabak und Papier“, sagte Otto Trsnjek und kratzte sich mit dem hinteren Ende der Schreibfeder an seinem Beinstumpf. „Ein guter Trafikant verkauft Genuss und Lust – und manchmal Laster!“ Seite 33

Die Geschichte um den Trafikantenlehrling Franz ist dagegen sehr, sehr traurig. Franz glaubt in das Gute im Menschen. Und das ist den Kriegsvorjahren schon kaum noch möglich. Und so muss er leider mitverfolgen, wie der Hass auch den Trafik trifft. Und das bleibt nicht nur bei Schmierereien an den Schaufenstern des Trafiks.

Und überhaupt ist der Trafik der Ort im Buch. Man riecht förmlich den Tabakgeruch und die Druckerschwärze des Trafiks. Aber auch Wien spürt man beben. Einerseits durch die geschichtlichen Ereignisse, andererseits durch Franz Augen. Denn Franz liebt die Natur und nimmt alles auf, was um ihn herum geschieht. Und so bekommt der Leser doch die Ereignisse durch Franz Augen mit, die anfangs noch recht naiv betrachtet werden. Aber das sei sicher: Franz erlebt eine enorme Entwicklung in diesem Buch, und das ganz unaufdringlich und doch auf so markante Weise.

Das Highlight des Buches ist natürlich der Side-Kick von Franz: Sigmund Freud. Dieser lebt ganz in der Nähe vom Trafik und kommt eines Tages zum Tabakkauf in den Laden. Und Franz kann es kaum glauben, dass eine Person Geld von anderen verlangt, wenn er deren Geschichten zuhört. Und so fängt Franz auch an mit Freud (mit Zigarrenbestechung) über seine Sorgen zu sprechen. Und das vor allem über Anezka. Diese bleibt fortwährend unnahbar. Für den Leser und auch für Franz. Und in der Sache Liebe tut dem Leser Franz doch leid. Er hat sich nun einmal unendlich in Anezka verliebt. Doch wie kommt er über die Verschmähungen hinweg? Richtig: er spricht natürlich mit Sigmund Freud darüber. Und dieser klärt ihm nüchtern über die Liebe auf. Sehr gelungen!

Aber zurück zu Freud: diese berühmte Person könnte dem Leser vor dem Lesen des Buches doch Bedenken geben. Aber diese Sorge ist unberechtigt. Seethaler schafft es, Freud nicht als glorreiche und berühmte Person auftreten zu lassen. Er passt sich in das Gefüge des Trafiks und Franz ein. Es passt einfach. Letztendlich hätte es auch ein anderer Name sein können. Doch mit dem berühmten Namen gibt es dem Buch doch einen gewissen Charme.

Zusammenfassend ist es ein wundervolles, trauriges Buch über einen Lehrling in den Vorkriegsjahren. Fans von Seethaler werden definitiv nicht enttäuscht werden. Und alle anderen sollten es eh lesen.

5 Sterne

Kein & Aber Pocket Verlag – 250 Seiten (Taschenbuch) – 11,00€

ISBN: 978-3036959092

4 Kommentare

  1. Ich habe dieses Buch schon eine ganze Weile in meinem Bücherschrank und bin noch nicht dazu gekommen es zu lesen nach dieser Rezession werde ich mich aber mal an den Trafikant heranwagen! :-)

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